41 Prozent der Deutschen schlafen schlecht – das sagt keine Boulevard-Schätzung, sondern eine repräsentative Umfrage der DAK-Gesundheit. Jeder Fünfte leidet sogar an chronischen Ein- oder Durchschlafstörungen. Die Folgen? Konzentrationsprobleme, Gereiztheit, depressive Verstimmungen. Die Gründe? So vielfältig wie die Ausreden beim Arzttermin. Doch was hilft wirklich, wenn die Nächte endlos scheinen?
Zwischen Hoffnung und Hasch
Schlaf ist ein fragiles Konstrukt. Für manche reicht ein Glas Rotwein. Andere liegen stundenlang wach, weil das Gedankenkarussell nicht zum Stehen kommt. Wer dann zum Arzt geht, bekommt oft Benzodiazepine, Z-Substanzen oder Antihistaminika. Medikamente, die wirken – aber selten langfristig. Abhängigkeit, Rebound-Effekte, Tagesmüdigkeit sind keine Randnotizen, sondern ernsthafte Nebenwirkungen. Kein Wunder also, dass sich viele nach Alternativen umsehen. Eine davon: Cannabis.
Seit der Teillegalisierung im April 2024 boomt der Markt. Anbieter wie CanDoc machen es leichter, dass Konsumenten Cannabis online kaufen können. Namen wie „Night Kush“ oder „Deep Green“ suggerieren Entspannung pur. Was früher heimlich im Joint verraucht wurde, gibt es heute in Tropfen, Kapseln oder Ölen – mit kontrollierter Dosierung und teils medizinischer Beratung. Für Menschen mit chronischen Schlafstörungen klingt das wie eine Einladung.
Dosierung, Dauer, Disziplin
Bei Schlafproblemen empfiehlt sich die Einnahme etwa 30 bis 60 Minuten vor dem Zubettgehen. Dabei ist weniger oft mehr: Schon geringe Dosen können einschläfernd wirken, höhere Mengen dagegen kontraproduktiv – sie führen zu einem schwereren Einschlafen oder intensiven Träumen, die den Schlaf stören. Wichtig ist auch die Auswahl der Sorte: Indica-dominierte Varianten gelten als beruhigender, während Sativa-Typen eher anregend wirken. Haschisch aus Indica-Sorten hat sich deshalb bei Schlafproblemen bewährt.
Andere natürliche Mittel vorgestellt
Wer Cannabis vermeiden will – sei es aus gesundheitlichen, rechtlichen oder persönlichen Gründen – findet in der Naturapotheke eine Vielzahl bewährter Alternativen. Pflanzliche Wirkstoffe, Aromen oder Mikronährstoffe, die seit Jahrhunderten zur Förderung der Nachtruhe eingesetzt werden. Doch nicht jedes Mittel passt zu jedem Problem – und manche versprechen mehr, als sie halten.
Baldrian etwa ist ein Klassiker gegen nervöse Einschlafstörungen. Besonders wirksam bei Menschen, deren Gedanken im Bett kreiseln. Die beruhigenden Inhaltsstoffe der Wurzel wirken angstlösend und schlaffördernd – aber nur bei regelmäßiger Einnahme über mehrere Tage. Hopfen, häufig in Kombination mit Baldrian verabreicht, entfaltet seine Wirkung vor allem bei leichter innerer Unruhe. Anders Passionsblume: Sie wirkt stärker bei emotionaler Anspannung und wird gerne bei stressbedingter Schlaflosigkeit empfohlen. Melisse hingegen ist ideal bei Magen-Darm-bedingten Einschlafproblemen – etwa, wenn Stress auf den Bauch schlägt.
Von Magnesium und Lavendel
Magnesium wird oft unterschätzt. Dabei kann ein Mangel – gerade bei Menschen mit viel sportlicher oder mentaler Belastung – zu innerer Unruhe führen. Wer nachts häufig mit Krämpfen aufwacht oder generell schlecht abschalten kann, profitiert manchmal schon von einer einfachen Nahrungsergänzung. Ähnlich subtil, aber effektiv: Lavendel. Ob als Öl auf dem Kopfkissen oder als Kapsel – sein Duft und seine Inhaltsstoffe wirken entspannend auf das zentrale Nervensystem. Studien zeigen, dass standardisierte Lavendelextrakte bei generalisierter Angststörung ähnlich effektiv wie synthetische Präparate wirken – ohne deren Nebenwirkungen.
Schlaflos durch den Bildschirm
Wer nachts nicht schlafen kann, greift häufig zum Handy. Eine schlechte Idee. Studien der Harvard Medical School zeigen: Der Blaulichtanteil moderner Displays blockiert die körpereigene Melatoninproduktion um bis zu 30 Prozent. Das Hormon, das uns müde machen soll, wird so ausgetrickst. Gleichzeitig fluten TikTok, YouTube und Insta die müden Hirne mit Reizen – Dopamin statt Dämmerung. Und während sich der Körper nach Ruhe sehnt, feuert der Algorithmus das nächste Video raus.
Vor allem Jugendliche sind anfällig. Eine Umfrage des RKI ergab, dass über 60 Prozent der 14- bis 17-Jährigen täglich nach 22 Uhr noch am Smartphone hängen. Viele von ihnen berichten über Ein- oder Durchschlafprobleme.
Wenn der Fernseher flackert: Wie Netflix & Co. den Schlaf rauben
Nicht nur das Smartphone ist ein Schlafräuber – auch der Fernseher spielt eine unrühmliche Rolle. Wer abends zur Entspannung noch eine Folge „nur eine Folge noch“ schaut, tappt oft in dieselbe Falle wie beim Scrollen durch soziale Medien. Das Flimmern des Bildschirms, schnelle Bildwechsel und emotional aufgeladene Inhalte versetzen das Gehirn in einen Wachzustand. Besonders Streamingdienste mit Autoplay-Funktion verlängern die Bildschirmzeit unbewusst – das Einschlafen wird verzögert, der Schlafdruck sinkt.
Studien zeigen: Wer regelmäßig mit laufendem Fernseher einschläft, hat eine höhere Wahrscheinlichkeit für nächtliches Aufwachen und fragmentierten Tiefschlaf. Auch hier wirkt das künstliche Licht als Melatoninbremse, vor allem bei LED-TVs ohne Blaulichtfilter. Hinzu kommt die emotionale Aktivierung – Thriller, Nachrichten oder Serien mit Cliffhanger-Charakter kurbeln das Stresssystem an, statt es herunterzufahren. Feste Abschaltzeiten können hierbei helfen.
Melatonin zu supplementieren?
Die wenigsten wissen, dass unser Körper jede Nacht seine eigene Schlaftablette produziert. Melatonin – ein Hormon, das in der Zirbeldrüse gebildet wird – reguliert den Tag-Nacht-Rhythmus wie ein stiller Dirigent. Es wird ausgeschüttet, wenn es dunkel wird, und bereitet den Körper auf den Schlaf vor. Doch was passiert, wenn dieser Rhythmus gestört ist? Bei Schichtarbeit, Jetlag oder exzessivem Bildschirmkonsum etwa gerät die körpereigene Produktion schnell aus dem Takt. In solchen Fällen kann Melatonin als Nahrungsergänzung eine sinnvolle Hilfe sein – vorausgesetzt, man weiß, wie man es richtig einsetzt.
Erhältlich ist Melatonin in Deutschland in niedriger Dosierung frei verkäuflich – meist als 1-Milligramm-Tablette oder Spray. Höhere Dosierungen unterliegen der Verschreibungspflicht. Die Einnahme sollte idealerweise etwa 30 bis 60 Minuten vor dem gewünschten Einschlafzeitpunkt erfolgen – und nur dann, wenn auch wirklich Zeit zum Schlafen ist. Wer Melatonin „zwischendurch“ oder ohne Rhythmus schluckt, bringt seine innere Uhr womöglich noch weiter aus dem Gleichgewicht. Denn Melatonin macht nicht schläfrig – es signalisiert lediglich: Jetzt wäre die richtige Zeit zum Runterfahren.
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